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Mit Stressmanagement Überforderung vorbeugen
Wenn die tägliche Arbeit konstant über- oder unterfordert, kann chronischer Stress die Folge sein – dann leiden Körper und Psyche. © Getty Images/seb_ra

Gesundheitsschutz : Mit Stressmanagement Überforderung vorbeugen

Anstrengende Arbeitstage kennen wohl alle. Bei chronischem Stress drohen allerdings Konzentrationsprobleme, Unzufriedenheit sowie ernsthafte Erkrankungen. Führungskräfte sollten gezieltes Stressmanagement betreiben.

Das Mailpostfach ist zum Bersten voll, doch jetzt stehen erstmal zwei Meetings an. Auf dem Weg dorthin erinnert eine Mitarbeitende an ein längst überfälliges Gespräch. Und schon wieder klingelt das Diensthandy. Der Puls steigt, die Hände schwitzen, die Gedanken rasen – hier zeigen sich die ersten Anzeichen von Stress.

Die sind alles andere als selten: 23 Prozent der Beschäftigten fühlen sich von ihrem Arbeitspensum überfordert, heißt es im Stressreport 2019 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Beschäftigte im öffentlichen Dienst müssen teilweise eine noch höhere Arbeitsintensität bewältigen als in anderen Wirtschaftsbereichen, besagt ein Faktenblatt der BAuA von 2018.

Arbeitsbelastung kann sich positiv oder negativ auswirken

Doch was definiert Stress? Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unterscheidet zwischen „Eustress“, und „Distress“, positivem und negativem Stress. Eustress motiviert demnach zu aktivem, gestaltendem Handeln. „In der Arbeitspsychologie sprechen wir nicht von positivem Stress, sondern positiven Beanspruchungsfolgen“, sagt Franziska Grellert, Referentin am Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG). „Stress hingegen ist grundsätzlich negativ konnotiert.“

Das Belastungs-Beanspruchungsmodell verdeutlicht, dass Arbeitsbelastungen je nach Intensität und individueller Konstitution positiv oder negativ wirken können. „Auch Unterforderung kann Stress auslösen“, betont Hannah Huxholl vom Referat Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren der DGUV. „Wer permanent zu wenig zu tun hat, langweilt sich und fühlt sich nicht gebraucht. Das kann Ängste auslösen, den Arbeitsplatz zu verlieren.“

Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell

Belastungsfaktoren:

  • 
Arbeitsinhalt
  • Arbeitsumgebung
  • Arbeitsorganisation
  • Arbeitsmittel
  • Arbeitszeit
  • Soziale Beziehungen

Arbeitender Mensch mit seinen individuellen 
Eigenschaften, Erfahrungen und Voraussetzungen

Beanspruchung 
(kurz- bis mittelfristig):

  • Positiv, etwa Aktivierung, Übung, Lerneffekt
  • Negativ, etwa Ermüdung, Monotonie, „kurze Zündschnur“, akuter Stress mit innerer Unruhe und Anspannung, mangelnde Konzentration, gestörter Stoffwechsel

Beanspruchung 
(langfristig):

  • Positiv, zum Beispiel Kompetenzentwicklung, Zufriedenheit
  • Negativ, zum Beispiel Schlafstörung, 
Motivationsverlust 
chronischer Stress, 
Erkrankungen wie Herz-
Kreislauf-Probleme oder Burnout

Chronischer Stress kann Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen

So oder so gilt: Anhaltender oder ständig wiederkehrender Stress begünstigt Erkrankungen. Laut BZgA gehören dazu unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Kopf- und Rückenschmerzen sowie psychische Erkrankungen wie Depressionen. Zwar gilt Stress weniger als alleinige Ursache, sondern eher als „Co-Faktor“ – doch chronischer Stress kann den Organismus schädigen und die Immunabwehr verringern.

Und Personalausfälle sind auch für die Unternehmen und Einrichtungen ein Problem. Führungskräfte sollten daher erste Warnzeichen kennen. „Oft beginnt es mit Gefühlen von Angst oder Ärger, die Konzentration sinkt, wir arbeiten hastig. Herzrasen, Zittern und Schwitzen sind mögliche körperliche Reaktionen“, sagt ­Franziska Grellert. „Natürlich haben alle mal einen stressigen Tag. Aber wenn Symptome dauerhaft auftreten und auch nach der Arbeit anhalten, sollte dringend interveniert werden.“

Unterbrechungen bei der Arbeit sowie Termindruck empfinden Führungskräfte als stressig

Die Situation von Führungskräften hat der BAuA-Stressreport gesondert unter die Lupe genommen. Demnach werden starker Termin- und Leistungsdruck, häufige Unterbrechungen und die Arbeit an verschiedenen Aufgaben gleichzeitig als häufigste Anforderungen an Führungskräfte genannt. Gleichzeitig verfügen sie oft aber über mehr Ressourcen, etwa Handlungsspielraum bei der Arbeitsgestaltung.

Dabei gilt: je höher Führungskräfte in der Organisationshierarchie stehen, desto höher sind auch die betrieblichen Ressourcen. „Vor allem ­Führungskräfte in sogenannten Sandwichpositionen, also auf der unteren und mittleren Ebene, müssen ihrer operativen Arbeit nachgehen und zusätzlich ein Team führen. Gleichzeitig ist der eigene Handlungsspielraum oft sehr begrenzt, da auch sie Vorgesetzten unterstehen“, sagt Huxholl. „Diese unausgewogene Doppelbelas­tung kann stark an den Nerven zehren.“

Stressmanagement umfasst Verhältnis- und Verhaltensprävention

Doch welche Lösungsansätze gibt es? Grundsätzlich ist nur ganzheitliches Stressmanagement effektiv: Verhältnis- und Verhaltensprävention müssen ineinandergreifen, heißt es in der DGUV Information 206-013. Verhältnisprävention, also eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sollte dabei immer an erster Stelle stehen. Laut Hannah Huxholl ist der erste und entscheidende Schritt eine gute Gefährdungsbeurteilung. Verantwortlich dafür sind die Arbeitgebenden. Sie ­delegieren aber die Erstellung oft an die Führungskräfte.

„Ziel ­einer guten Arbeitsgestaltung ist es, die Gefährdungen genau zu ermitteln. Wie viele Pausen werden gemacht, wie lange wird gearbeitet, wie ist die Lautstärke im Büro? Dann können entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden.“ Auch sollte man das Verhältnis von Ressourcen und Anforderungen ermitteln, das laut Stressreport bei operativen Führungskräften oft nicht ausgewogen ist. Können die personellen Ressourcen nicht aufgestockt werden, ist soziale Unterstützung wichtig – etwa Zuspruch und Tipps zur Problemlösung von den eigenen Vorgesetzten.

Tipps für gutes Stressmanagement

  • Hauptursachen ermitteln und verändern: Mithilfe der Gefährdungsbeurteilung werden Risikofaktoren für Stress (psychische Belastung) eruiert und Schutzmaßnahmen abgeleitet.
  • Kommunikations-Tools nutzen: Um Gefährdungen durch psychische Belastung zu ermitteln, helfen Fragebögen oder Workshop-Formate, etwa die „Ideen-Treffen“ der DGUV.
  • Zeitmanagement und Prioritäten: Aufgaben priorisieren, im Zweifel auch mal Aufgaben abgeben oder ablehnen – das hilft, um die eigene Zeit bewusst einzuteilen.
  • Pausen und Konzentration: Wer auf Pausen verzichtet, dreht sich noch tiefer in die Erschöpfungsspirale. Besser ist es, sich störungsfreie Zeit für konzentriertes Arbeiten zu nehmen und regelmäßig Kurzpausen einzulegen. Mails und Aufgaben werden erst danach bearbeitet.
  • Um Hilfe bitten: Auch Führungskräfte sollten bei Überbeanspruchung Rat suchen – bei Vorgesetzten, betrieblichem Gesundheitsmanagement oder Sicherheitsbeauftragten.

Beschäftigte und Führungskräfte sprechen miteinander, um Ursachen für Stress am Arbeitsplatz ausfindig zu machen.
Eine offene Kommunikationskultur ist ein wichtiger Faktor für gutes Stress­management. © GettyImages/Koh Sze Kiat

Erst die Verhältnisse anpassen, dann das eigene Verhalten

Erst anschließend sollte Verhaltensprävention in den Fokus rücken – also eine Verbesserung der eigenen Bewältigungskompetenzen. Hannah Huxholl erläutert den Unterschied an einem Beispiel: „Wenn ich täglich mit einem Programm arbeite, das für meine Aufgaben nicht sinnvoll ist, stresst mich das. Und da hilft keine Verhaltensänderung und kein Stressbewältigungsseminar, sondern ich brauche ein neues Programm.“ Seminare können vielmehr als ergänzende Maßnahmen dienen.

Vertrauensvolle, offene Gesprächskultur beugt Stress vor

Wichtig ist auch eine offene Kommunikationskultur, die vermittelt: Es ist okay, um Hilfe zu bitten! „Vor allem Menschen in leitender Funktion tun sich damit oft schwer. Selbstfürsorge ist aber ganz wichtig“, sagt Huxholl. „Zudem haben Führungskräfte eine Vorbildfunktion. Wenn sie sich ständig krank zur Arbeit schleppen oder am Wochenende Mails verschicken, setzt das auch die Kolleginnen und Kollegen unter Druck. Präsentismus schadet dem ganzen Team.“

Stattdessen sollten Vorgesetzte in Kontakt mit ihren Beschäftigten bleiben. „Und das Thema Arbeitsbelastung ansprechen, entweder eins zu eins oder im Meeting“, sagt Franziska Grellert. Zusätzlich sollte bewusst für Entspannung gesorgt werden. „Zeit für das Essen nehmen, einen Spaziergang machen, Sport treiben. Und in einer akuten Stresssituation: ein paar Minuten bewusst atmen, die Konzentration umlenken, einen kurzen Moment der Ruhe schaffen. Alles, was guttut, kann helfen.“